Der Wecker klingelt,
ich schlage die Augen auf
und schon beginnt er,
mein allmorgendlicher Wahlkampf.

Nicht dass ich groß die Wahl hätte,
was ich heute tun kann.
Aufgaben liegen vor mir,
Arbeiten wiederholen sich in Routine
Menschen stellen Erwartungen an mich
und nur noch kleine Zeitfenster
stehen zur freien Verfügung.

Aber eine Wahl kann ich treffen,
die große Auswirkung hat:
Wie tue ich es?

Und wie die Kleidungsstücke, die ich anziehen werde,
liegen sie vor mir:
Möglichkeiten einer inneren Haltung,
mit der ich durch den Tag gehen werde.

Ich könnte schnell aus dem Bett springen
in einer „Alles-im-Griff-Haltung“
und mit dazu gehörigem gehetzten Gesichtsausdruck
mich in den Tag stürzen.
Oder die „Alles-zuviel-Haltung“ einnehmend
langsam und gebückt in den Tag hineinschlurfen.

Schwierig ist auch die Wahl
zwischen der „Gegen-alles-Haltung“
oder der „Alles-egal-Haltung“.
Entweder misstrauisch, grollend aufstehen
oder mich einfach umdrehen und weiterschlafen.

Und dann ist da noch die
„Alles-muss-mir-zum-Besten-dienen-Haltung“,
nicht leicht einzunehmen, weil sie immer wieder
einen bewusste Entscheidung erfordert.
Aber mit ihr könnte ich fröhlich und erwartungsvoll
in den Tag starten.

Und während ich
schlaftrunken
meine Wahl treffe,
weiß ich schon,
dass sie darüber
entscheiden wird,
ob dieser Tag eine
einzige Wahlniederlage wird
oder ich heute Abend der Wahlsieger bin.

Text von Ann Kathrin Horstmann 
entnommen aus AUFATMEN 1/2018, www.aufatmen.de